magischer Realismus

magischer Realismus
magischer Realịsmus,
 
1) bildende Kunst: in den 1920er-Jahren entstandene Bezeichnung für eine Darstellungsweise, die durch äußerste Akribie beziehungsweise überscharfe Wiedergabe der Wirklichkeit unter Auslassung von Nebensächlichem, durch einen statischen Bildaufbau und mit perspektiv. Mitteln eine magische Wirkung erzeugt. Sie entwickelte sich unter dem Einfluss der Pittura metafisica. Der Begriff wurde zunächst auf Werke der veristischen Richtung der Neuen Sachlichkeit bezogen (G. Schrimpf, C. Mense, A. Kanoldt, F. Radziwill u. a.), dann auch auf die Malerei ähnlich vorgehender Künstler, v. a. in den USA (u. a. I. Albright, P. Blume, A. Wyeth), schließlich auch auf Werke der Wiener Schule des phantastischen Realismus und des Fotorealismus sowie der naiven Malerei.
 
 
F. Roh: Nachexpressionismus. M. R. (1925);
 
American realists and magic realists, hg. v. D. C. Miller u. a., Ausst.-Kat. (Neuausg. New York 1969);
 Wieland Schmied: Neue Sachlichkeit u. m. R. in Dtl. 1918-1933 (1969);
 
Realismus zw. Revolution u. Reaktion 1919-1939, hg. v. G. Metken u. a. (1981);
 M. Scheffel: M. R. Die Gesch. eines Begriffs u. ein Versuch seiner Bestimmung (1990);
 A. Fluck: »M. R.« in der Malerei des 20. Jh. (1994).
 
 2) In der Literatur wird der Begriff auf verschiedenen Ebenen verwendet. Er tauchte zuerst (etwa zeitgleich wie in der bildenden Kunst) bei dem Italiener M. Bontempelli auf. Sein ästhetisches Programm, veröffentlicht in der Zeitschrift »900«, fordert die Verbindung von realistischen Detailgenauigkeit und magischer Atmosphäre in der Literatur. Etwas später nahm der Niederländer J. Daisne für seinen Roman »De trap van steen en wolken« (1942), in dem Traum und Wirklichkeit ineinander übergehen, den Begriff in Anspruch. Für die deutsche Literatur lässt sich (nach M. Scheffel) magischer Realismus als ein Erzählstil definieren, der etwa zwischen 1920 und 1950 in einer Reihe von Romanen praktiziert wurde. Dieser Stil ist gekennzeichnet durch äußerlich realistischen Ansatz, gebrochen durch die Integration seltsamer, geheimnisvoller, unerklärbarer Elemente. Beispiele dafür sind: »Weingott« (1921) von W. Lehmann, »Am Rande der Nacht« (1933) von F. Lampe, »Schwarze Weide« (1937) und »Ulanenpatrouille« (1940) von H. Lange, »Gang durch das Ried« (1936) und »Das unauslöschliche Siegel« (1946) von Elisabeth Langgässer, »Die Stadt hinter dem Strom« (1947) von H. Kasack, »Die Gesellschaft vom Dachboden« (1946) von E. Kreuder.
 
Die lateinamerikanische Literatur knüpft mit ihrem »realismo mágico« an den magischen Realismus der europäischen bildenden Kunst an. Der hier von der Wissenschaft breit diskutierte Begriff umschreibt vielfältige Phänomene, so das Neben- und Ineinander verschiedener Zeit- und Wirklichkeitsebenen, die Vermischung von realer und fantastischer Wirklichkeitssicht, die ihre Wurzeln in der Indiokultur hat. Bedeutende Vertreter sind u. a. M. Á. Asturias, A. Carpentier, A. Roa Bastos, J. Cortázar, J. Rulfo und G. García Márquez.
 
 
D. Janik: Mag. Wirklichkeitsauffassung im hispanoamerikan. Roman des 20. Jh. (1976);
 M. Scheffel: M. R. Die Gesch. eines Begriffs u. ein Versuch seiner Bestimmung (1990).

Universal-Lexikon. 2012.

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